Brunello – Mythos im Glas

September 2024
Unsere Topweine Sämtliche Weine und VKN Unser Punktesystem

Es waren noch anderen Zeiten. Damals, Mitte der 1980er Jahre. Ich war gerade erst von Paris nach Rom übersiedelt, und man hatte mir von einem berühmten Weingut in der Toskana erzählt. Biondi-Santi hieß die Familie, der es gehörte, und eine Telefonnummer gab es auch.

Mit Zug und Bus war ich schließlich im kleinen Bergstädtchen Montalcino, der Heimat des Renommier-Rotweins Brunello, angekommen, hatte auch gleich eine Bar mit Münztelefon gefunden, mit dessen Hilfe ich meine Ankunft ankündigte und um eine Wegbeschreibung zum Weingut bat. „Bleiben Sie, wo Sie sind, ich hole Sie ab“, beschied mich die Stimme am anderen Ende der Leitung, und wenige Minuten später hielt eines der legendären italienischen dreirädrigen „Ape“-Lastenmopeds vor der Tür der Bar.

Teilweise noch regelrecht archaisch wirkte der toskanische Weinbau in den 1980er Jahren (Foto: E.Supp)

Am Steuer ein distinguierter, älterer Herr, ganz toskanische Noblesse mit hellem Sommeranzug und eleganten Lederschuhen, der sich als Franco Biondi-Santi vorstellte. Biondi-Santi „himself“, die – so viel hatte ich schon gelernt – Brunello-Legende schlechthin. Bereits zwischen Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts hatte Francos Ur-Urgroßvater Clemente Santi damit begonnen, die besten Reben seiner Weinberge zu selektieren und zu vermehren, eine Arbeit, die von Clementes Tochter Caterina und deren Sohn Ferruccio fortgesetzt wurde, und deren Resultat nach weiterer Selektion in den 1970er Jahren als Brunello-Klon (BBS 11) des Sangiovese, häufig auch Sangiovese grosso genannt, bezeichnet wird. Dass die Bezeichnug „Klon“ dabei nach deutscher Sprachregelung irreführend ist – es handelt sich vor allem bei den historischen Reben auf „Il Greppo“ in Wahrheit wohl nicht um eine klonale, sondern eher um eine Massen- oder massale Selektion, wie Franco Biondi-Santi beim Besuch erklärte – tat dem Ruhm der Rebe und ihrer Weine bis dato keinen Abbruch.

Lange blieben die Biondi-Santis die einzigen, die ihren Wein unter dem alten Namen Brunello vermarkteten, heute sind es über 100 Erzeuger in Montalcino und Umgebung, die vom Prestige des Namens und von seinem Status als DOCG-Wein – der höchsten Klasse des italienischen Weingesetzes – profitieren.

Franco Biondi-Santi im Garten seines Weinguts "Il Greppo" (Foto: E. Supp)

Weine aus den „Urzeiten“ des Brunellos zu verkosten, ist auch für Profis nichts Alltägliches, und so war die Gelegenheit, die die (seit 2016) neuen Besitzer des „Il Greppo“ boten – Franco Biondi-Santis Sohn Jacopo hatte das Weingut vielleicht auch als Folge ihres lange dauernden Familienzwists an die französische EPI(Européenne de participations industrielles)-Gruppe verkauft, zu der auch die Heidsieck-Champagner und Rémy-Cointreau gehören –, ausgewählte Altweine ins Glas zu bekommen, mehr als willkommen. Immerhin bis 1975 zurück reichte die Palette der alten Jahrgänge (ergänzt durch drei jüngere Ausgaben), die in der Hamburger Hanse-Lounge auf dem Tisch standen und die Klasse und Eigenwilligkeit der Greppo-Weine demonstrierten.

Anders als viele der „jüngeren“ Brunello-Erzeuger hatten die Biondi-Santis ja nie versucht, besonders krafvolle, vielleicht gar üppige Weine zu keltern, sondern das Augenmerk immer auf Eleganz und Langlebigkeit gelegt – eine Linie, welche die neuen Besitzer, eigenen Angaben zufolge fortführen wollen.


Beim Klick auf die Fotos in den Beiträgen ab Juni 2023 öffnet sich eine browserfüllende Ansicht.

 

Unsere Top 5

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Il Greppo-Biondi Santi (Montalcino) – Brunello di Montalcino 1997 Riserva
*****?
Il Greppo-Biondi Santi (Montalcino) – Brunello di Montalcino 1983 Riserva
****+
Il Greppo-Biondi Santi (Montalcino) – Brunello di Montalcino 2010 Riserva
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Il Greppo-Biondi Santi (Montalcino) – Brunello di Montalcino 1975 Riserva
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Il Greppo-Biondi Santi (Montalcino) – Brunello di Montalcino 2016 Riserva

 

 

Sämtliche Weine mit VKN

Az. Agr. Il Greppo-Biondi Santi • 53024 Montalcino • www.biondisanti.it

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Brunello di Montalcino 1975 Riserva: noch sehr frisches Rot, Kaffee, Tabak, Zigarre, Teere, gute aromatische Tiefe, am Gaumen noch etwas kratziges Tannin

*****?

Brunello di Montalcino 1983 Riserva: noch sehr frisches Rot von guter Dichte, angenehm, leicht balsamisch im Duft, fehlt etwas Tiefe, am Gaumen elegant, mit guter Länge

****

Brunello di Montalcino 1988 Riserva: noch sehr lebendiges Granat, mittlere Dichte, in der Nase Schokolade und Kaffee, eine Spur animalischer, unsauberer Noten, am Gaumen immer noch Säuure und etwas wenig Saft

*****

Brunello di Montalcino 1997 Riserva: dichtes Granatrot mit gut gereiftem Rand, Würze, Beeren, Tabak, gute Entwicklung seit letzter Verkostung, Stoiff und Struktur, Länge im Abgang, eleganter Wein mit ausreichend „Fleisch“

****+

Brunello di Montalcino 2010 Riserva: lebendiges, schönes Granat, Tabek und Schoko in der Nase, am Gaumen noch markante Säure, etwas zu schlank, fehlt ein wenig Saft

****

Brunello di Montalcino 2016 Riserva: leicht stummpfes, reifes Rot, im Duft etwas Balsamik, wenig Würze und Länge am Gaumen

****?

Brunello di Montalcino 2018 : helleres Rot, wässrige Ränder, Nase wirkt leicht gestört, 2. Flasche besser, am Gaumen sandiges Tannin, noch wenig Länge

***

Rosso di Montalcino 2021 : mittleres, lebendiges Rot, im Duft verhalten, geht mit der Lüfung etwas auf und zeigt Balsamik und etwas Würze, am Gaumen Säure, noch wenig Länge


Unser Punktesystem

 

--/??
offen fehlerhafter oder nicht zu beurteilender Wein (z. B. Korkschmecker, Flaschenproblem)
*
zu einfacher, evtl. auch fehlerhafter Wein, nicht empfehlenswert
**
Wein mit einem Minimum an Qualitäten, akzeptabel wenn im unteren Preisbereich
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befriedigender, ansatzweise typischer Wein, angenehm zu trinken
****
guter bis sehr guter Vertreter seiner Art und seines Jahrgangs
*****
Spitzenwein von internationalem Format
*****
Traumweine, die kleine Elite
+
evtl. noch Potenzial nach oben
?
nicht eindeutig zu bewertender Wein, braucht evtl. noch Zeit
 
Weinproben von enos werden soweit wie möglich unter optimalen Bedingungen, wenn es geht blind durchgeführt, um eine eventuelle Verfälschung der Resultate, Voreingenommenheit und Irrtümer auszuschalten. Auch dann aber sind Verkostungs-Urteile immer nur subjektive Momentaufnahmen und hängen nicht zuletzt von der Authentizität der Proben ab, die uns präsentiert werden. Die Redaktion lehnt deshalb jede Haftung für Weine ab, deren geschmackliche Qualitäten nicht den hier geschilderten Eindrücken entsprechen. Unsere Bewertungen stellen eine Synthese aus aromatischem und geschmacklichem Qualitäten (Finesse, Volumen etc.), Typizität, Alterungsfähigkeit und Trinkgenuss dar. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich vom Inhalt aller in diesen Reports verlinkten Seiten und gibt auch keine Garantie für die Verfügbarkeit der Weine, weder beim Erzeuger noch bei den direkt oder indirekt verlinkten Wiederverkäufern.
 
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