Österreich ist und bleibt (vor allem) ein Weißweinland - allenfalls vielleicht ein Weißwein- und Blaufränkischland, mit dem Zweigelt als interessanter Zugabe. Dass dem trotz aller Fortschritte bei den anderen roten Sorten noch (immer) so ist, hat unsere umfangreiche Rotwein-Blindprobe gezeigt, die wir dank der hervorragenden Vor- und Zuarbeit durch das österreichische Weinmarketing in den letzten Oktobertagen in Hamburg organisieren durften, und mit der wir ein fast komplettes Bild der österreichischen Rotweinspitze nachzeichnen konnten.
Dass dem so ist, stellt dabei mitnichten nur die persönliche Meinung des Chronisten dar, sondern war grosso modo auch die Meinung aller anderen Verkoster (zwei weitere Journalisten, drei Sommeliers und ein Weinhändler), die - in unterschiedlicher Zusammensetzung - an den drei Probetagen fast 250 Weine mitverkosteten (die restlichen Proben aus diesem Report stammen von verschiedenen Gelegenheiten im letzten Jahr).
Warum dem so ist, das hat allerdings verschiedene Gründe, wobei wir zunächst einmal der Versuchung widerstehen wollen, diese Rotweinprobe mit unserem Weißweinreport vom vergangenen September zu vergleichen. Zu unterschiedlich waren die Jahrgänge der mehrheitlich angestellten Weine: der hervorragende 2009 bei den Weißen, die sprichwörtliche Achterbahn des 2008ers bei den Roten, wobei die wenigen angestellten 2009er durchaus auf die Spitzenprodukte dieses Jahrgangs neugierig machten.
Dass Blaufränkisch der ungekrönte König in Österreichs Rotweingärten ist, zeigt schon die Statistik. Obwohl die Sorte nur etwa ein Drittel der angestellten Weine ausmachte, stellte sie - reinsortig oder im Verschnitt - den Großteil (fast 2/3) der Weine mit Spitzenbewertungen. Interessant auch der Zweigelt, vor allem aus dem saftigen, fruchtigen Jahrgang 2009, und auch beim Sankt Laurent gab es den einen oder anderen interessanten Vertreter zu verkosten, obwohl der wohl besser in Cuvées aufgehoben wäre, weil er zu wenig eigenes, im internationalen Vergleich darstellbares Charakterprofil mitbringt.
Was den Blau-/Spätburgunder betrifft, über den Gerhard Retter, der hierzulande wohl bekannteste österreichische Sommelier, nach der Probe auf Facebook schimpfte, wie ein Rohrspatz ("Wobei, ehrlich, die Pinots waren erschreckend. So viel Oxidation, krautige Noten und grüne bittere Tannine also wir sind in der Dichte kein Pinot Land."), so fiel unser Verdikt zwar nicht ganz so bescheiden aus, aber viel Staat war mit den meisten Ösi-Pinots wirklich nicht zu machen. Richtig ist die Analyse Retters vor allem dahingehend, dass den Weinen der klare, identifizierbare Charakter fehlt und dass sie noch ein gutes Stück von der Qualität der besten deutschen Spätburgunder entfernt sind, von den Franzosen ganz zu schweigen.
So hart, wie Gerhard Retter in seinem Urteil über den Pinot, sind wir allerdings bei den anderen französischen Sorten. Cabernet Sauvignon und franc haben für meine Begriffe in Österreich überhaupt nichts verloren - Sorry, liebe Familie Kollwentz, aber Ihr hattet Euren ja nicht angestellt! -, und bei Syrah oder Merlot frage ich mich, mit wem die Alpenwinzer da in Konkurrenz treten wollen. Etwa mit der Rhône oder mit Bordeaux? Vielleicht mit den Südafrikanern, den Australiern? Liebe österreichische Freunde! Nur für den Fall, dass Ihr es noch nicht mitbekommen habt: Kaiser Franz Josef und Kaiserin Maria Theresia waren gestern! In Eurem Reich geht die Sonne inzwischen sehr wohl gelegentlich unter!
Anstatt Euch mit solchen Spielereien zu verlustieren, solltet Ihr Euch lieber auf das konzentrieren, was Ihr wirklich könnt! Das sind Blaufränkisch, Blaufränkisch und noch einmal Blaufränkisch, gerne auch in Cuvées und dann gern auch mit der einen oder anderen französischen Sorte, wenn Ihr Zweigelt und Sankt Laurent nicht mögt.
Aber! "Cuvée" alleine ist auch noch keine Erfolgsgarantie. Es muss eine Cuvée sein, die wirklich regional- oder lagentypisch ist, mit der Ihr einen Alleinstellungsanspruch geltend machen könnt und mit der Ihr den Menschen außerhalb Eures Landes einen wirklichen Grund geben könnt, warum sie denn, bitte schön!, ausgerechnet österreichischen Rotwein trinken sollten. Blaufränkisch mit Finesse und Charakter - gibt es schon, aber noch zu wenige -, saftigen Zweigelt und tiefgründige, komplexe, elegante Cuvées, in die Ihr dann auch gerne Eure anderen Sorten verschneiden könnt, das wären echte Renner, auch hierzulande!
Ach, und noch etwas, das ich fast vergessen hätte! Ja, die Zeit der überkonzentrierten, dicken Weine ist vorbei! Da habt Ihr Recht! Aber bitte verwechselt doch nicht Eleganz mit Magersucht, Geschmacksarmut mit Finesse! Zur Eleganz gehört immer auch eine gewissen Dichte. Die hat allerdings beileibe nicht nur etwas mit dem Alkoholgehalt zu tun, denn sonst hätten wir nicht bei so vielen Weinen mit 14 und mehr Vol.-% das Gefühl gehabt, dass sie dem unmittelbaren Hungertod ins Auge blickten.