Es war eine umfangreiche Verkostung kalifornischer Weine, die wir 2016 veröffentlichen konnten, aber auch eine mit durchaus gemischten Ergebnissen. Neben „Traumweinen“ hatten wir eine Reihe von Gewächsen im Glas, deren „Genuss“ wir beim besten Willen nicht empfehlen wollten. Anders die Muster, die wir unaufgefordert und auf Anfrage bei deutschen Importeuren in den letzten Wochen erhielten: Es waren deutlich weniger, aber welch eine Klasse!
Das galt für die Handvoll weißer, noch viel mehr aber für die Roten. Da war von den rustikalen Alkoholbomben früherer Zeiten kaum noch etwas zu sehen, und das – soweit es die Roten betrifft – sowohl bei den Cabernets wie auch bei den Zinfandel-Mustern. Dass ein Gutteil der Muster dabei von den Kellereiriesen Gallo und Constellation stammte – in diesem Fall in Gestalt der Marken Louis Martini und Mondavi –, tat der Qualität der Weine dabei keinen Abbruch.
Die Gleichung „große Kellerei = Massenware“ ist ja auch in vielen Teilen Europas nicht mehr in jedem Fall gültig; für Kalifornien ist sie schon lange mit einem dicken Fragezeichen garniert. Von zwei der einsendenden Betriebe hatten wir vorher noch keine Weine verkostet – Daou in Paso Robles und Orin Swift in St. Helena, der Weinhauptstadt des Napa Valley. Deren sehr gutes Abschneiden zeigt einmal mehr, dass die Weinlandschaft Kaliforniens in Bewegung ist, auch wenn das hierzulande häufig nicht so wahrgenommen wird.
Als die Robert Mondavi Winery Ende 2004 vom Ostküsten-Multi Constellation Brands geschluckt wurde, befürchteten viele Freunde der Weine aus Oakville das Schlimmste. Immerhin hatte der Name Mondavi für die Wiedergeburt des kalifornischen Weinbaus nach Prohibition und Weltkriegen gestanden, hatten die Weine Bob Mondavis in vorangegangenen Jahrzehnten Kultstatus erlangt. Die größte Frage schien dabei: Was wird aus dem legendären Cabernet Sauvignon, der den Namen To Kalon Vineyard Reserve trug, die Ikone des Weinguts.
Nur fünf Jahre, nachdem Mondavi seine Kellerei in Oakville gegründet hatte, wurde der rote To Kalon 1971 erstmals gefüllt, aber da hatte der Name schon eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Bereits Mitte des 19. Jahrhundert gab es hier einige Hektar Land unter Reben, und 1872 erbaute der eigentlich als Goldsucher nach Kalifonien gekommene Hamilton Walker Crabb in Oakville sein Weingut, das später unter dem Namen firmieren sollte.
Die Größe und genaue Lage des „echten“ To Kalon-Weinbergs blieb über die Jahrzehnte umstritten, und Bob Mondavi, der sich 1987 die Marke sicherte, ergänzte die Konfusion um ein weiteres Element, indem er betonte, To Kalon seit mitnichten ein klassischer Lagenname, sondern eine Marke, unter der man, wie er es ursprünglich tat, einen Sauvignon blanc, aber auch einen Wein aus Nairobi füllen könne.
Der „Napa Valley Cabernet Sauvignon To Kalon Vineyard The Reserve“ ist übrigens trotz oder vielleicht gar wegen dieser Konfusion mit entsprechenden Auseinandersetzungen der real existierende Beweis, dass es zur Erlangung eines Kultstatus‘ keineswegs einer Latte von Höchstbewertungen der tonangebenden Kritiker und Publikationen bedarf. Die Dokumentation, die unsere Probensendung begleitete, verzeichnet in der Tat erst 1982 zum ersten Mal ausgezeichnete 95 Punkte, verliehen vom Wine Spectator, und erst 1999 vergab Robert Parker die bisherige Spitzennote von 98 Punkten. Von den drei Jahrgängen, die wir verkosten durften, gefiel im Unterschied zu den Parker-Bewertungen der 2014 mit seiner Frische und Finesse am besten, gefolgt vom 2016er und dem 2015er, der etwas breiter und alkoholischer wirkte.